Samstag, 8. September 2012

Die Telekom, Busfahrer und nur eine lachende Frau


Nun sitze ich schon wieder im Zug. Mit jeder Fahrt schaue ich gelassener in die Zukunft. Vielleicht ist gelassener aber auch nicht das richtige Wort. Vielmehr trifft es resignierter eher. Nicht die Spannung auf Gespräche mit Unbekannten treibt nun meinen Puls in die Höhe, sondern die Vorfreude auf eine neue Stadt. Mittlerweile bin ich ja nun schon durch ganz Deutschland gefahren auf der Suche nach einem passenden Arbeitsplatz. Hamburg, Berlin, München, Nürnberg und Münster waren die bisherigen Stationen der Vorstellungsreise. Heute geht es nach Frankfurt, in die finanzorientierte Börsenstadt. Ich lass mich überaschen, von der Stadt, ihren Menschen und nebenbei auch von der Agentur.
Nach einer schier endlosen Suche nach einem freien Sitzplatz im ICE starte ich meinen Laptop. Mir ist das "WWW"-Zeichen schon bei der letzten Fahrt aufgefallen. Nun will ich auch während der Zugfahrt online surfen, so wie die Businessfutzies in der 1. Klasse. Sogleich zeigt der Rechner mir neue verfügbare Drahtlosverbindungen auf, auch "Telekom_ICE", auf wie fein, denke ich und drücke auf "verbinden". Warten. "Es konnte keine Verbindung hergestellt werden." "Was das für'n Scheiß", fluche ich innerlich. Geht nicht. "Kacke." Ich bin völlig empört. Ich denke nicht, dass es an mir liegt; wieso auch. "Mist." Ich probiere es noch mal. Immer noch nicht. "Verdammt." Noch mal. "Nee." Und nochmal. "Hmm, blöd." Ich fühle mich verarscht. Dieses Gefühl habe ich öfters, wenn ich mit der Deutschen Bahn unterwegs bin.
Da! Der Schaffner! "Den werd' ich gleich mal fragen."
Nun bin ich noch mehr empört und rutsche unruhig auf meinem Sitz umher. "Pah! Frechheit! Diese Säcke!" "Nach einer Anmeldung bekommen Sie ein Passwort und eine Rechnung über die gesurfte Zeit.", erklärt mir der Mitarbeiter in Blau. Ich gucke ihn ungläubig an, bleibe aber freundlich. Der Servicegedanke ist an der Deutschen Bahn völlig vorbeigerauscht. Ich bin wirklich wütend. Da hilft auch nicht aus-dem-Fenster-gucken-und-sich-an-der-schönen-Natur-erfreuen. Stattdessen wird mir etwas schummrig in Kopf. "Ich soll zusätzlich zum extrem überteuertem Bahnticket auch noch Geld für eine Internetverbindung blechen? Ohne mich! Ihr könnt mich mal!"
Als wenn die Situation nicht schon überreizt genug ist, öffnet die Frau neben mir eine Kekspackung und steckt sich genüsslich einen Keks in den Mund. "Blöde Kuh, dass macht die doch mit Absicht", grummle ich in mich hinein. Dann geht auch noch die Klimaanlage an und eiskalte Luft zieht mir den Rücken entlang. "Na Danke."
Frankfurt war ganz nett, zumindest dass, was ich gesehen habe. Rödelheim - Stadtteil gegen Rassismus. Wie es dort ausschaut, kann der Leser sich denken. Mehr ausländische Mitbürger als Deutsche. Ich bin ja ein großer Fan türkischer Kleinläden. Frisches Obst und Gemüse zu fairen Preisen. Das beste aber ist die ehrlich gemeinte Freundlichkeit, mit der jeder Kunde empfangen wird. Das ist leider nicht selbstverständlich, aber wer kennt nicht das typisch deutsche, maulige Gebrumme, auf ein freundliches "Hallo". Soviel zu den Kleinhändlern, ein ganz anderes Thema sind die Frankfurter Busfahrer. Zweimal habe ich den Bus genommen und dabei zwei Extreme kennengelernt. Fahrer Nummer 1 war sonderbar unfreundlich. Wenn es ein Superlativ von "unfreundlich" gäbe, denke der Leser es sich an dieser Stelle. Unsicher ob ich den richtigen Bus gewählt habe, starrt er mich an und fragt nach einer Weile, ob ich nicht lesen könne. Gott sei Dank bin ich des Lesens mächtig und so erkläre ich, ich wolle nur sicher gehen. Während der rasanten Fahrt denke ich mir, wenn ich nun nicht lesen könnte, was hätte der Busfahrer mir dann wohl angetan? Legastheniker, Sehbehinderte oder des Lesens nicht mächtige Leute sind wohl in seinem kleinen Weltbild nicht vorgesehen. Die Rückfahrt dann ein komplett komplett anderer Typus: der Überfürsorgliche. Diese Art zeichnet sich durch eine Freundlichkeit und Behutsamkeit gegenüber seinen Fahrgästen aus, die schon ins Gluckenhafte übergeht. An einer roten Ampel springt der Busfahrer plötzlich auf, hastet durch den Bus, um ein Kind mit dem Rücken zur Fahrteichtung zu setzen. Es sei sicherer, so seine Begründung, falls er bremsen müsse, fliege das Kind nicht durch den Bus. Sehr aufmerksam, denke ich mir. Könnte ihm ja eigentlich egal sein, ob und wer alles durch seinen Bus schleudere. Die Frage ist nur, wer die Schweinerei dann hinterher weg macht. An der übernächsten Kreuzung ein ganz ähnliches Bild. Wieder ist Rot, da rennen zwei Frauen mit Kind und Kegel Richtung wartenden Bus. Sie wollen mit. Fahrer Nummer 1 hat bei gleicher Situation den Kopf geschüttelt, nun aber ist ja der "Freundliche" am Steuer und öffnet die Türen, um die Leute aufzunehmen. Es scheint wirklich eine Ausnahme zu sein, denn die beiden Frauen bedanken sich überschwänglich. "Beim nächsten Mal bringen sie aber Kuchen mit.", erwidert der "Freundliche" und zwinkert. Äußerst freundlich, finde ich. Dann will er weiterfahren. Doch nein! Als er in den Rückspiegel schaut, springt er wieder von seinem Sessel und begibt sich zu einer schwangeren Mitfahrerin. Auch sie solle sich bitte mit dem Rücken in Fahrtrichtung setzen, er habe Sorge um ihren dicken Bauch, falls er bremsen müsse. Das Fahren mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, sei sehr viel angenehmer gewesen, so die Schwangere beim Aussteigen, und bedankt sich noch einmal für den Tipp. Ich sage mir, dass ich es bei meiner nächsten Busfahrt auch mal ausprobieren muss, so zu sitzen. Es scheint wohl ein ganz neues Fahrgefühl zu sein. Ich bin gespannt.
Doch erst einmal erwartet mich meine Zugfahrt zurück nach Hause. Wieder ICE bis nach Hamburg, dann weiter mit dem IC. Nach einer Fahrt von sech einhalb Stunden mit dem Zug, einer S-Bahnfahrt zum Hauptbahnhof von 11 Minuten, 10 Gehminuten und einer Autofahrt vom Zielbahnhof nach Hause von 20 Minuten, bin ich dann vorraussichtlich irgendwann gegen 17:30 Uhr zu Hause. Bis ich da allerdingt ankommen werde, dauert es noch etwas. Momentan sitze ich noch im ICE und habe gerade Frankfurt hinter mich gelassen. Nach einer halben Stunde und der kompletten Zugdurchquerung, habe ich leider keinen Sitzplatz mehr bekommen. Wobei, ganz stimmt es nicht, denn ich sitze mit drei weiteren Passagieren auf dem Boden zwischen zwei Waggons. Es wird zwar nach einer Weile etwas unbequem am Hintern, doch hier kann ich die Beine ausstrecken, ein nicht zu verachtener Vorteil gegenüber herkömmlichen Sitzen. Wir "Sitzplatzlosen" nehmen es aber mit Humor. Man müsse es positiv sehen, sage ich und verweise auf die Beinfreiheit. Daraufhin meint eine  nette Frau neben mir, sie versuche das ganze Leben optimistisch zu sehen und lacht herzlich. Ich lach aus Freundlichkeit mit, doch nach Lachen ist mir eher weniger. Ich finde das Leben nicht nicht ganz so spaßig. Aber vielleicht habe ich auch noch nicht die richtige Perspektive gefunden, um auf das Leben zu schauen.
Doch auf der Strecke zwischen Göttingen und Hannover wird mein Optimismus auf eine harte Probe gestellt. AUf weiter Flur hält der Zug außer planmäßig an. Nach kurzer Verweildauer meldet sich per Lautsprecher das Bahnpersonal und meldet einen Triebwagenfehler. Doch schon bald geht es weiter. Langsamer als vorher, aber immerhin geht es weiter. Aber das ist gar nicht die bedrückende Situation. Es ist eine gar gesellige Frauengruppe. Ich bin zwar froh um meinen derweil ergatterten Sitzplatz, doch die Runde erfüllt das Abteil zu sehr mit ihrer Lautstärke. Ganz besonders eine ältere Frau, mit einer ganz besonders schrell ertönenden Stimmlage, geht mir verdammt auf den Zeiger. Ich versuche schon sehr mich nicht all zu sehr darüber aufzuregen, doch langsam reißen meine Nervenenden an den Synapsen ab. Ich bin zwar nicht allein mit meiner Meinung über die nervige Runde, doch bisher hat sich kein Fahrgast bemüht, dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Das Einzige was sie dem lautstarken Pulk entgegen zu setzen haben, sind böse Blicke. Doch die reichen leider nicht aus. Ich bin mir sicher, die laute Gesellschaft ist sich durchaus ihrer Unart bewusst, doch ignoriert sie behändig die leisen Widerrufe der Mitfahrenden. Bei so einer Ignoranz hilft nur pure Gewalt oder Giftgas. Entweder Zunge raus schneiden, das half schon im Mittelalter bei Blasphemie, oder ein heimlicher Giftgasanschlag. Der tut nicht weh. Das Problem ist nur, dass ich im selben Abteil sitze, so dass ich eine Gasmaske bräuchte. Leider habe ich keine dabei.
Ich bin fertig, aber so richtig. Nachdem der ICE mit dem bekannten Triebwerksproblem nun seine Fahrt doch nicht weiterführen konnte, mussten alle Fahrgäste in Celle den Zug verlassen. Dort hatten wir dann die Entscheidung zwischen einem ankommenden ICE in 25 Minuten oder umzusteigen in einem auf dem gegenüberliegenden Gleis wartendem IC 2170. Ich entschied mich für Variante zwei. Diese Entscheidung fällte ich aber nicht alleine sondern der gefühlte halbe ICE mit mir. Das Ergebnis war ein völlig überfüllter IC. Nicht nur, dass ich nun keinen Sitzplatz mehr hatte, dies war mein geringstes Problem, ich war in einer vergleichbaren Situation wie ein Masthuhn. Nicht, dass ich gefüttert wurde, vielmehr waren es die doch allzu sehr beengten räumlichen Verhältnisse, die mich zu diesem Vergleich hinreißen lassen. Nach circa einer Stunde unter menschenunwürdigen Verhältnissen, bin ich dann doch endlich in Hamburg Hauptbahnhof angekommen. Aber auch nur angekommen, denn aussteigen lassen wollte man uns nicht. Nachdem der ICE mit seinem Triebwagen Probleme hatte, hielt uns nun ein Türdefekt auf Trab. Jedenfalls ging im ganzen Zug nur eine einzige Tür. So dauerte der Ausstieg ganze zehn Minuten. Das hört sich jetzt vielleicht ganz zürgig an, doch man bedenke, die vielen Menschen dünsten entsprechend aus. Neben der Wärme- und Geruchsentwicklung war es neben den ohnehin engen Zustand nun noch enger geworden. Alle Menschen, die in Hamburg aussteigen wollten, und das war die Mehrheit der Passagiere, drückten in Richtung Türen. Irgendwann stand ich dann aber an der frischen Luft am Bahnsteig. Nun musste ich mir meine über eine Stunde lange Verspätung am Servicecenter der Bahn bestätigen und meine neue Verbindung für die Weiterfahrt geben lassen. Der Servicemitarbeiter konnte sich dann glatt mit dem "Unfreundlichen" in einer Reihe eingliedern. Unmöglich so ein Verhalten. Ich konnte ihm leider nicht aprupt meine Abfahrtszeit aus Frankfurt nennen, sowie die Zugnummer des liegengebliebenen Zuges. Er raunzte mich an, dass ich ja gar nichts wüsste. Ich war derart überfordert mit so einer Unfreundlichkeit, dass ich nur kleinlaut, "Entschuldigung, ich bin schon etwas länger unterwegs heute.", antwortete. Scheinbar war ihm das egal und er gab mir meine Daten für die Weiterfahrt. "15:17 Uhr auf Gleis 8.", erklärte er monoton. Auf meine Frage, wie spät es denn jetzt sei, zeigte er hinter mir und meinte nur kurz: "Das ist eine Uhr." "Danke für gar nicht du Arsch", denke ich und begeben mich zum entsprechendem Gleis.
Auf Gleis 8 steht dann aber nicht wie erwartet mein Zug Richtung Heimat, sondern ein ICE aus München. Dieser Zug fährt 15 Minuten später ab. "Warum sollte mein Zug auch pünktlich sein. Ich erwartete immer viel zu viel.", sinniere ich. Mit einer viertel Stunde Verspätung treffe ich dann aber doch noch um 16:50 Uhr in Bützow ein.


Reiseroute: A Bützow, B Hamburg, C Hannover, D Göttingen, E Kassel-Wilhemshöhe, F Frankfurt a. M, G  Frankfurt Rödelheim, H Celle, I Lüneburg, J Hamburg (GoogleMaps)

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